Innerhalb der Bundesregierung ist das AA für die Humanitäre Hilfe und damit auch für die Humanitäre Katastrophenvorsorge zuständig. Sein Netzwerk der Auslandsvertretungen spielt eine entscheidende Rolle für die Frühwarnung und den Kontakt mit Betroffenen und Hilfsorganisationen vor Ort.
Humanitäre Hilfe unterstützt Menschen, die durch Katastrophen, Epidemien oder Konflikte in Gefahr oder bereits in akute Not geraten sind. Dabei sind fünf unterschiedliche Aktionsfelder zu unterscheiden:
- Soforthilfe hat zum Ziel, unverzüglich nach plötzlichen Katastrophen Menschenleben zu retten und akute Not zu lindern. Ein Beispiel dafür ist die Hilfe bei der Suche und Bergung von Opfern nach schweren Erdbeben.
- Nothilfe wird in andauernden Krisen- und Katastrophenszenarien geleistet, wenn kurzfristig keine Entwicklungsperspektive erkennbar ist. Zu den Maßnahmen der Nothilfe gehört etwa die Trinkwasserversorgung oder Bereitstellung von Notunterkünften.
- Humanitäre Übergangshilfe ist die bedarfsorientierte Fortführung bzw. Ergänzung geleisteter Sofort- und Nothilfe in langanhaltenden Krisensituationen („protracted crises“) ohne kurzfristig erkennbare Entwicklungsperspektive als Beitrag zur Herstellung von Selbsthilfekapazitäten der Betroffenen.
- Humanitäre Katastrophenvorsorge soll die aus Krisen und extremen Naturereignissen potenziell resultierenden humanitären Bedarfe vorausschauend reduzieren. Hierzu wird u.a. die Reaktionsfähigkeit lokaler Gemeinden und Hilfsorganisationen gestärkt, beispielsweise durch verbesserte Frühwarnmechanismen oder das Training von humanitären Helferinnen und Helfern vor Ort.
- Humanitäres Minen- und Kampfmittelräumen soll Leib und Leben der lokalen Bevölkerung schützen, negative sozioökonomische Auswirkungen der Kontaminierung bei der Bevölkerung verringern, Zugang für humanitäre Hilfsorganisationen schaffen und dazu beitragen, Vertriebenen eine Rückkehr in Sicherheit und Würde zu ermöglichen. Hierbei werden etwa durch Beseitigung von Anti-Personenminen, Blindgängermunition und anderen explosiven Kampfmittelrückständen sowie durch Gefahrenaufklärung und Opferfürsorge Leben gerettet und Leiden vermindert.
Das AA fördert in Sofort-, Not- und humanitären Übergangshilfe integrierte Maßnahmen der humanitären Katastrophenvorsorge. Diese beinhaltet die Durchführung von Risikoanalysen, Maßnahmen zur Minderung von Katastrophen und eine verbesserte Vorbereitung auf zukünftige Katastrophenfälle (die sogenannte “Preparedness”). Durch die entsprechenden Maßnahmen können die Folgen künftiger Krisen und Katastrophen bereits im Vorfeld abgemildert und menschliches Leid sowie materielle Schäden reduziert werden. Bereits 2013 hat die Bundesregierung gemeinsam mit zahlreichen Regierungen und internationalen Hilfsorganisationen die deutsche Preparedness-Initiative beschlossen. Der mit der Preparedness-Initiative begonnen Paradigmenwechsel innerhalb der internationalen humanitären Hilfe hat dazu beigetragen, neben der reaktiven humanitären Hilfe wo immer möglich einen stärkeren Fokus auf vorausschauende humanitäre Hilfe zu setzen.
Als Teilbereich humanitärer Katastrophenvorsorge löst vorausschauende humanitäre Hilfe im Vorfeld eskalierender Lagen anhand von datenbasierten oder qualitativen Frühwarnungen konkrete, frühzeitige humanitäre Vorsorgemaßnahmen (early actions) zur unmittelbaren Risikoreduktion aus. Hierbei werden auch Leistungs- und Reaktionsfähigkeit humanitärer Akteure gestärkt. Innovative Instrumente, wie die vorhersagebasierte Finanzierung (Forecast-based Financing) und Ansätze, die möglichst zahlreiche Naturgefahren gleichzeitig berücksichtigen (multi-hazard-Ansätze), werden weiter ausgebaut.
Seit 2016 kooperiert das AA mit dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), um einen gezielten Erfahrungsaustausch im Bereich der humanitären Katastrophenvorsorge sicherzustellen. Gleichzeitig zielt die Kooperation darauf ab, die Zusammenarbeit der deutschen Akteure auf den unterschiedlichen Ebenen der Katastrophenvorsorge zu unterstützen. Dies wird durch unterschiedliche Netzwerke, wie beispielsweise die Fachtagung Katastrophenvorsorge, die Preparedness Arbeitsgruppe sowie diverse weitere regionale Workshops in Hochrisikoregionen mit den lokalen Partnern der deutschen Hilfsorganisationen erreicht.
Das AA hat die Erarbeitung des Sendai Rahmenwerks maßgeblich mitgestaltet und die deutsche Position innerhalb der Bundesregierung koordiniert. Deutschland zählte während den Verhandlungen zu den Staaten, die sich dafür eingesetzt haben, erstmalig Indikatoren zu entwickeln, um weltweit einheitlich die Fortschritte innerhalb der im Rahmenwerk vereinbarten Ziele messen zu können. Seit der Verabschiedung des Sendai Rahmenwerks hat das AA sein Engagement in der humanitären Katastrophenvorsorge nochmals gesteigert. Es engagiert sich zudem innerhalb einer interministeriellen Arbeitsgruppe, welche die Umsetzung des Sendai Rahmenwerks auf Bundesebene steuert und arbeitet eng mit der Nationalen Kontaktstelle für das Sendai Rahmenwerk in Deutschland zusammen.
Deutschland tritt darüber hinaus seit langem in der Europäischen Union und in den Vereinten Nationen für die Stärkung internationaler Katastrophenvorsorge ein. Auf europäischer Ebene hat Deutschland intensiv an der Erarbeitung des Europäischen Konsenses über die Humanitäre Hilfe mitgewirkt, der die Notwendigkeit von Katastrophenvorsorge hervorhebt. Zudem hat Deutschland zur EU-Strategie zur Unterstützung der Katastrophenvorsorge in Entwicklungsländern von 2009 beigetragen und arbeitet eng mit dem Büro der Vereinten Nationen für Katastrophenvorsorge (UNDRR) zusammen.
Bereits seit 2012 setzt sich das AA dafür ein, Mechanismen zu etablieren, um beispielweise den Betroffenen von katastropheninduzierter Vertreibung adäquaten Schutz zukommen zu lassen. Am 01. Juli 2016 hat Deutschland gemeinsam mit Bangladesch für anderthalb Jahre den Vorsitz der „Platform on Disaster Displacement“ übernommen.